Dr. Niko  
Davids 
CDO 
VTG GmbH 

VTG bewirtschaftet die größte private Flotte Europas. Wenn wir nicht digitalisieren, macht es keiner.

Wie die Digitalisierung die Schienenlogistik transformiert

Das Unternehmen, für das Niko Davids seit fünfzehn Jahren arbeitet, nennen BWL-Professoren Hidden Champions. Mittelständische Firmen, die in der Nische Europa- oder Weltmarktführer geworden sind. Mit 88.500 Waggons ist VTG der größte private Güterwagenvermieter Europas und ein führendes Unternehmen im Bereich der Schienenlogistik. Die Flotte hat einen Wert von mehreren Milliarden Euro. In Europa hat wohl jeder schon mal – bewusst oder unbewusst – einen VTG-Waggon vorbeifahren sehen.

Mit Excel-Liste, Fax und Klemmbrett

Das Geschäft mit dem Schienenverkehr war traditionell wenig digital. Wenn Güterwaggons vermietet wurden, geschah das lange mithilfe von Telefon und Fax. Informationen über Belastung, Nutzung, Wegstrecken oder Zustand der Waggons während der Mietdauer – Fehlanzeige.

Anders als bei einem Autovermieter handelt es sich in der Schienenlogistik um Langfristmieten: Die Waggons werden Produktionsunternehmen und Logistikern für Jahre überlassen. Was in der Zeit mit ihren Assets passiert, war VTG weitestgehend nicht bekannt. Keine Ausnahme, sondern der Standard in der Branche – und eine Herausforderung. Denn wie soll eine Prognose von beispielsweise Reparaturdauern auf Knopfdruck gelingen, wenn Werkstätten, Ersatzteillieferanten, involvierte Logistiker und Reinigungswerke zwischen Athen und Warschau mit Excel-Liste oder Klemmbrett arbeiten?

Wie kommt das Neue ins Alte? 

Für Niko Davids, dem heutigen Chief Digital Officer von VTG, war das ein äußerst unbefriedigender Zustand. Der promovierte Wirtschaftsingenieur hat in zahlreichen Abteilungen und Bereichen des Waggonvermieters gearbeitet. Fast immer ging es darum, Prozesse zu optimieren und Innovationen hervorzubringen – ohne die hohen Anforderungen an Sicherheit, Zuverlässigkeit und Qualität zu vernachlässigen. Allerdings: Wie macht man das, wenn das Umfeld sehr statisch ist?

Fakt ist: Um eine solche große Flotte effizient und serviceorientiert zu managen, ist größtmögliche Transparenz über alle 88.500 Waggons notwendig. Zudem hat sich die Erwartungshaltung vieler Kund:innen verändert: Verwöhnt durch Apple, Amazon oder Google, legen sie ähnliche Standards bezüglich digitaler Standards auch im Geschäftsleben an. Deshalb war es für Niko Davids die logische Konsequenz, dass VTG eine Vorreiterrolle einnehmen und die Branche mitziehen muss.

Digitalisierung bedeutet neue Geschäftsmodelle

Es geht um nicht weniger, als die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene zu gestalten. Niko Davids holt FFW als Entwicklungspartner an Bord. Ziel der Zusammenarbeit: Althergebrachte Prozesse aufbrechen und in die digitale Zukunft führen. Neue Geschäftsmodelle ermöglichen, den Kunden zusätzliche Services und ein besseres Produkterlebnis bieten. Und zwar über die gesamte Kundenbeziehung hinweg – die oft über Jahre andauert.

Erstes Ergebnis der Zusammenarbeit ist eine App, die dem Unternehmen dabei hilft, Waggonreparaturen effizient im Feld und nicht in der Werkstatt abzuwickeln; zweites Ergebnis eine Buchungs- und Analyseplattform für die VTG-Flotte. traigo ist ihr Name, und sie hat durchaus das Zeug, die gesamte Branche auf ein neues Niveau zu heben.

Wenn Hardware und Technologien Hand in Hand gehen

Im Vorfeld hatte der Hamburger Hidden Champion seine Flotte mit Tracking- und Tracing-Hardware ausstatten lassen. Betrieben über Solarstrom und ergänzt durch verschiedene Sensoren konnte so für jeden Wagen ein digitaler Zwilling erstellt werden. Damit hat VTG nun zunehmend mit dem Ausrüstungsgrad einen Überblick über Beanspruchung, Standort sowie Zustand der Flotte und kann “predictive maintenance”-Szenarien entwickeln, also Wartung und Reparatur vorausschauend planen. Alle erhobenen Daten und die darauf basierenden digitalen Tools werden über die Kundenplattform traigo abgebildet. So können jetzt auch Kunden ihre Flotte und deren Standorte im Blick behalten sowie jederzeit Werkstattinformationen, Verträge und kommerzielle Details abrufen.

"Mit der Entwicklung von traigo.com als MVP haben wir 2020 den Grundstein für eine Plattform gelegt, die in der Branche einmalig und führend ist”, sagt Milan Antonijevic, Prokurist von FFW. “VTG hat die Keimzelle für Digitalisierung in der Branche geschaffen und neue Standards definiert."

Die meisten der über traigo angebotenen Tools sind im Mietpreis preislich inkludiert. Wer darüber hinaus kostenpflichtige Premium-Produkte bucht, erhält Vorhersagen zu zukünftig fälligen Waggonreparaturen und kann unproduktive Stillstandszeiten der eingesetzten Waggons analysieren. Zudem ist über traigo eine deutlich vereinfachte Anmietung von Waggonkapazitäten möglich: Unter dem Namen VTG FastTrack bietet das Unternehmen an ausgewählten Häfen und Terminals Wagengarnituren zur flexiblen Kurzfristanmietung an, die Logistiker mit Bedarf an zusätzlicher Transportkapazität einfach und schnell online buchen können.

Win, Win-Win, Win-win-win

Das Potenzial, das die Digitalisierung der Flotte bietet, ist enorm meint Niko Davids. Und es gilt für unzählige Anwendungsfälle. Ein weiteres Beispiel: Die Ausstattung der Waggons mit Generatoren zur Stromversorgung von Kühlcontainern. Beim Transport bestimmter Waren ist es immens wichtig, dass deren Kühlkette nicht unterbrochen wird. Die lückenlose Überwachung der Temperaturen und des ganzen Transports an sich wurde erst durch digitale Technologien möglich und macht die Schiene damit für komplett neue Zielgruppen interessant, die ihre Waren bisher nicht auf der Schiene transportiert haben. Einsehbar sind die Informationen selbstredend über traigo.

Der Launch der Plattform kam 2020 gerade zur rechten Zeit. Denn längst gilt der Gütertransport auf der Schiene als ökologische, präferierte Variante zum Lkw. Doch im Vergleich zu Lkw-Transporten hinkte der Verkehrsträger hinterher – was Transparenz und Verfügbarkeit von Informationen anging. Hier konnte VTG nun einen deutlichen Schritt nach vorne machen.

Wir haben uns bewusst dafür entschieden, zuerst unser Kundenangebot zu digitalisieren. Die Learnings helfen uns nun dabei, uns auch als Unternehmen komplett digital aufzustellen.

Und wie steht es um den Rest der Branche – strahlen die Entwicklungen ab auf andere Anbieter? “Wir arbeiten daran”, sagt der CDO. “Wir teilen unsere Erfahrungen und vernetzen uns mit anderen Akteuren.” Davids vergibt beispielsweise Aufträge an Logistik-Start-ups, obwohl deren Angebot noch nicht vollständig ausgereift sei. So geschehen bei Gründern, die an einem Prognosetool gearbeitet haben, mit dem der Zustand von Waggons vorhergesagt werden soll. Am Ende haben beide Partner voneinander gelernt – und traigo wurde um einen Service erweitert.

Wenn das kein Beweis dafür ist, dass die Digitalisierung ein Katalysator für eine ganze Branche sein kann.

Erfahren Sie mehr über unsere Arbeit.

Milan Antonijevic

Milan Antonijevic

CRO FFW Germany
milan.antonijevic@ffw.com
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